Süddeutsche Zeitung 15.01.2015
Vietnam: Saigons Ritter der Kokosmilch
Es gibt genug Restaurants für Touristen in Ho-Chi-Minh-Stadt. Viel besser lernt man die vietnamesische Küche bei einer Tour mit Einheimischen kennen: auf dem Rücksitz eines Mofas.
Zur Vietnam-REPORTAGE:
»Schade, dass man Gerüche nicht filmen kann.«
LESEPROBE-1 aus der Süddeutschen Zeitung (PDF, 2MB, urheberrechtlich geschützt):
»Die Nacht beginnt mit einem Hupkonzert. Eben noch lag die Hitze wie ein feuchter Lappen auf allem. Jetzt streift eine Brise den Sozius auf dem Motorroller, wenn endlich alle Zweiräder an der Ampel losbrausen, alle gleichzeitig hupend. Man lässt den Touristenbezirk von Ho-Chi-Minh-Stadt mit seinen französisch-kolonialen Bauwerken, das Rathaus, das Theater und das kurze Zwielicht hinter sich und taucht ein ins nächtliche Gewusel. Nguyen Tien ist sichere Fahrerin und Reiseleiterin zugleich: „Wir fahren jetzt durch Chinatown“, sagt sie in perfektem Englisch. Kaum ist das ausgesprochen, hängt der medizinisch-modrige Duft von Kräutern und Wurzeln aus den traditionellen Apotheken in der Luft. Die Kamera am Helm der Fahrerin nimmt alles für zu Hause auf. Schade, dass man Gerüche nicht filmen kann. Die muss man sich merken, ebenso die vielen Geschmacksrichtungen auf der „Foodie Tour“ durch Ho-Chi-Minh-Stadt, das ehemalige Saigon.«
»Auf zwei Rädern geht es durch die Nacht zurück ins Hotel, fröhlich-sinnlos hupend im Schwarm.«
LESEPROBE-2 aus der SZ:
»Man sollte sich während der Tour nicht zu viel auf den Teller laden lassen, immer nur ein bisschen von jedem, so wie die Vietnamesen das tun. Denn der letzte Foodie-Stopp, wenn man fast schon „no qua“, „bin so voll“, stöhnen möchte, überrascht im ärmsten, dem 4. Bezirk mit dem besten Essen. Eine unscheinbare, düstere Gasse. Ein paar rote Hocker werden vor einer weiß gekachelten Hauswand zusammengeschoben zum langen Tisch, gleich neben dem Mofa-Parkplatz. Die Angestellten bringen Plastikstühle, Plastikgeschirr, Servietten in Plastikfolie. Dann wird aufgetischt: Wachteln, Berge von Krabbenzangen in Chili und Knoblauch und: Jakobsmuscheln. Das Muschelfleisch ist garniert mit Frühlingszwiebeln und fein gehackten Erdnüssen, fünf Stück kosten gerade mal zwei Euro. Nach diesem Leckerbissen preist Tai Dang noch das Entenei mit Embryo an („viel Protein, gut für Männer“) – aber nur einer traut sich, bevor es auf zwei Rädern durch die Nacht zurück ins Hotel geht, fröhlich-sinnlos hupend im Schwarm.«