Atlas der Naturwunder

Atlas der Naturwunder der Erde vom Holiday Verlag 2020Atlas der NATURWUNDER

u.a. von Martina Miethig (div. Texte, versch. Co-Autoren) für HOLIDAY, Gräfe und Unzer, München 2020, 359 S., 35 €.

Eine gewichtige zwei Kilo schwere Wundertüte voller Naturphänomene der Erde! Geologie, Flora & Fauna, Wasser & Wüsten, Eis & Schnee und verlorene Welten aus allen Kontinenten. Ein Werk zum Schwelgen und Pläneschmieden auf der Couch. Lateinamerika-Autorin Martina Miethig muss zugeben, sie ist ein bisschen neidisch auf Humboldt und seine Südamerikareise – damals noch ganz ohne Massen und Selfie-Manie. Und dennoch fand die staunende Reporterin noch heute hier Unglaubliches: Eine »Handvoll blauer Sterne«! Einen »Catwalk der Vulkane«! Einen »flüssigen Regenbogen«! Die Autorin erzählt Anekdoten von gefallenen Engeln, überraschende Geschichten von Blumen, die Gesicht zeigen (s.u.) und von Gletschern, die fast schon trotzig im Angesicht des Klimawandels immer weiter wachsen. Sie geht mit Indiana Jones in den Tempel, steigt mit Alexander von Humboldt auf den Cotopaxi und lässt Inka-Könige zu Wort kommen (s.u.). Wer schon immer mal ein »Rendezvous mit Haien« oder »Mit Badeanzug in die Wüste« wollte, der liest hier richtig.

Die farbenprächtigen Bilder und stimmungsvollen kleinen Texte handeln auch von den manchmal skurrilen Phänomenen hinter den großen berühmten Wundern (etwa die todesmutigen Rußsegler, die sich hinter dem weltweit wasserreichsten Iguazú-Wasserfall vor Nesträubern verstecken und brüten). Natürlich gibt´s alle Naturphänomene mit Reisetipps wie die besten (Aussichts-)Orte und die allerbeste Reisezeit.

 

»Sie ist verführerisch schön, sozusagen die Angelina Jolie der zentralamerikanischen Dschungelflora.«

(S. 245)

LESEPROBE-1 (urheberrechtlich geschützt) aus dem Kapitel Mittel- und Südamerika:

»Besame«, küss mich!

Sie ist verführerisch schön, sozusagen die Angelina Jolie der zentralamerikanischen Dschungelflora: Die Psychotria elata wächst feuerwehrrot und glossy in den Wäldern Costa Ricas, sie verdreht ihren Betrachtern unweigerlich den Kopf und verführt manche zu (erotischen) Phantasien. Die Einheimischen nennen die attraktive Blume auch»labio de puta« (Dirnenlippe) – aber derart käuflich ist die sogenannte »Lippenblume« nicht. Wie auch immer, für die meisten ist es Liebe auf den ersten Blick. 

Die floral-sexy Schönheit mit den 100 Subarten allein in Costa Rica war lange auch als Schmerzmittel beliebt, man sagt ihr außerdem eine Wirkung als Aphrodisiakum und Halluzigen nach – kein Wunder bei den prall-geschürzten Lippen, die wohl selbst einen Mick Jagger vor Neid erblassen lassen. Wegen der Abholzung der Tropenwälder wird die »Küss-mich-Blume« in freier Natur immer seltener – also bitte nicht zum Valentinstag verschenken!«

 

»Hey Leute, wenn ihr unbedingt zu uns kommen wollt, nehmt den Camino Incadenn dieser Weg ist das Ziel. Und lasst Kaugummis, Seifen und Wanderstöcke zu Hause!«

(Inka-König Pachacútec Yupanqui, S. 285)

LESEPROBE-2 (urheberrechtlich geschützt) aus dem Kapitel Mittel- und Südamerika:

»Das Erbe der Inkas

Für die einen ist Machu Picchu der ultimative Höhepunkt ihrer »bucket list«, für andere: pure Magie. Das berühmteste Bauwerk der Inkas ist vier Monate im Voraus ausgebucht. Was würde König Pachacútec Yupanqui dazu sagen? Vielleicht würde er ausrufen: »Hey Leute, wenn ihr unbedingt zu uns kommen wollt, nehmt den Camino Inca, denn dieser Weg ist das Ziel.« Und er würde den Gringos wahrscheinlich heutzutage noch einen Befehl erteilen: »Lasst Kaugummis, Seifen und Wanderstöcke zu Hause!«

Der Inka Trail führt in den Fußstapfen der Indios durch die Anden. Eine Zeitreise: Wie ein alter Inka-Bauer nähert man sich durch Nebelwald und auf Gebirgspässen der Hochkultur. Von Inka-Ruine zu Ruine und über Inka-Brücken. Ins. 40.000 km verläuft das antike Wegenetz von Ecuador bis Argentinien. Bei Cusco liegt einem – nach lächerlichen 43 km – am »Sonnentor« die sagenhafte Zitadelle zu Füßen. So wie Pachacútec sie vor vermutlich 500 Jahren strategisch-harmonisch-perfekt in die Natur einfügen ließ.«

 

Martina Miethigs »Catwalk der Vulkane« ist übrigens im weltschönsten Land, in Ecuador. Einen Bericht über das trendy Sandboarding auf Vulkanen in Nicaragua findet man hier auf der Reportagenseite.